Einige meiner in hebräischen Zeitungen veröffentlichten Leserbriefe Ein Fall von Vorurteilslosigkeit aus dem 11. Jahrhundert, Haarez, 10. Februar 1995 Im Gegensatz zu den mystischen Vorstellungen von Joram Bronovski (Haarez, 27. Januar) über die Überlegenheit der hebräischen Sprache und die Unterlegenheit anderer Sprachen möchte ich die Ansichten des Rabbi Mose Ibn Esra aus seinem Buch "Die Poetik" zitieren, dem überhaupt ersten Buch über hebräische Dichtung (es ist übrigens in Arabisch geschrieben). Meine Zitate stammen aus der hebräischen Übersetzung von Benzion Halper, Schtibel Publishers, 1924. Im dritten Kapitel seines Buchs erörtert Ibn Esra die Frage: "Wie kommt es, daß die Poesie natürlichen Klang in Arabisch und künstlichen Klang in allen anderen Sprachen hat? " Seine Schlußfolgerung lautet, daß es hierfür drei Gründe gibt. Der erste Grund ist, daß das Klima der arabischen Halbinsel die Redegewandtheit förderte, der zweite, daß "die Araber die Kultur der Fürstenhöfe im Iran, Irak und in Syrien angenommen haben", und der dritte und wichtigste, daß "die Araber beharrlich alle antiken und modernen Bücher über Wissenschaft und Kultur, die sie finden konnten, übersetzt und sie mit Kommentaren versehen hatten und daran gingen, eigene Werke über diese Themen zu schreiben". Ibn Esra fügt hinzu, daß man den Arabern insbesondere die Übersetzung von griechischen Büchern anvertrauen könne, "weil es weithin bekannt ist, daß nicht nur die Griechen in der Wissenschaft weiter entwickelt als jedes andere Volk waren, sondern daß die griechische Metaphysik der einzige Weg ist, das Lob späterer Generationen zu erhalten". Damit hält Ibn Esra alle Sprachen für potentiell gleich und stützt seine Behauptung mit einer Geschichte. Als ich noch jung war und in meinem Heimatland Granada lebte, sprach ich mit einem großen moslemischen Gelehrten, der das islamische Religionsgesetz hervorragend kannte. Er war mein Patron, dem ich sehr viel verdanke. Während des Gesprächs bat er mich, ihm die zehn Gebote in Arabisch vorzulesen. Mir war klar, daß er mir ihre stilistischen Mängel aufzeigen wollte. Deshalb bat ich ihn, mir vorher die erste Sure des Koran in lateinischer Sprache vorzulesen. Er konnte lateinisch nicht nur sprechen, sondern war auch ein unübertroffener Meister dieser Sprache. Als er versuchte, die erste Sure des Koran ins Lateinische zu übersetzen, schien ihr herrlicher Stil ins Lächerliche und ihre große Schönheit in Häßlichkeit abzugleiten. Ihm wurde dann klar, was ich beabsichtigte, und wiederholte nie mehr seine Bitte. Wir können nur hoffen, daß man in unserer Zeit dieser Vorurteilslosigkeit ein wenig nacheifert, die man damals in Granada oder zumindest unter den Gelehrten am Ende des elften Jahrhunderts antraf.
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A/ 1- Israel - ein Utopia für Auserwählte?
B/ 6- Vorurteile und Verfälschungen
C/ 12- Orthodoxie und Interpretation
D/ 23- Die Bürde der Geschichte
E/ 33- Gesetze gegen Nichtjuden
F/ 49- Politische Konsequenzen
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