Leserbriefe
Das Schweigen der israelischen Juden, Haarez-Buchbeilage, 16. März 1994 Der Herausgeber der Beilage, Michael Handelsalz, versucht in seinem Editorial (Haarez-Buchbeilage, 16. Februar), das Schweigen der israelischen jüdischen Öffentlichkeit hinsichtlich der Verfolgung von Salman Rushdie durch "die anscheinend korrekte Annahme, die israelischen Juden hätten wichtigere Probleme", zu erklären. In der vorherigen Woche behandelte jedoch die gesamte hebräische Presse ausführlich eines dieser "wichtigeren Probleme", nämlich die Tatsache, daß ein hochrangiger Offizier der französischen Armee entlassen wurde, nachdem er einen historischen Beitrag schrieb, der die Unschuld von Dreyfus anzweifelte. Es ist wichtig und gerechtfertigt, auch weiterhin zu behaupten, daß Dreyfus in der Tat unschuldig war. Ich kann mir jedoch nicht vorstellen, daß Handelsalz sagen würde, entweder die Juden oder die Franzosen hätten "wichtigere Probleme zu behandeln" als dieses. Ich meine auch, daß die Kombination aus dem Getöse in Sachen Dreyfus und der erschallenden Stille in Sachen Rushdie auf eine widerwärtige Version des jüdischen Chauvinismus hinausläuft. Sie hat nämlich zwei seltsame Implikationen. Die erste besteht darin, daß Dreyfus nicht wegen der Beweislage, sondern weil er zufällig ein Jude war, unschuldig sei, und die Juden immer recht haben. Die zweite besteht darin, daß angesichts des fehlenden jüdischen Interesses an Salman Rushdie die Juden sich nicht für die Verteidigung eines bloßen Nichtjuden starkmachen sollen. Die Schlußfolgerung aus diesem Kontrast scheint mir klar zu sein. Israel hat derzeit keinen Schreiber mit der moralischen Statur eines Emile Zola und keinen Politiker vom Kaliber eines Clemenceau. Es war Clemenceau, der vor etwa 100 Jahren den Mut hatte zu sagen, Gerechtigkeit sei für Frankreich wichtiger als die Ehre der französischen Armee. Ich kann mir kein einziges Knesset-Mitglied vorstellen, das über die Ehre der israelischen Armee das sagen würde, was Clemenceau über die französische Armee sagte. Handelsalz verteidigte
zugegebenermaßen Rushdie in seinem Editorial. Es ist
bedauernswert, daß es ihm gleichzeitig möglich
war, israelische Juden zu rechtfertigen, die nahezu bis zum
letzten Mann gewissenhaft die Schändlichkeit
ignorierten, mit der Rushdie zum Opfer gemacht wurde. |
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A/ 1- Israel - ein Utopia für Auserwählte?
B/ 6- Vorurteile und Verfälschungen
C/ 12- Orthodoxie und Interpretation
D/ 23- Die Bürde der Geschichte
E/ 33- Gesetze gegen Nichtjuden
F/ 49- Politische Konsequenzen
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