Einige meiner in hebräischen Zeitungen veröffentlichten Leserbriefe
Haarez, Freitags-Literaturbeilage, 5. August 1994 Dies ist eine Erwiderung auf die Kritik von Israel Gutman (22. Juli) und Jehuda Bauer (29. Juli) an einem von Jossi Grodzinsky verfaßten Artikel mit dem Titel "Der zionistischen Ausbeutung des Holocausts widerstehen" (15. Juli). Ich lebte im Warschauer Ghetto bis kurz vor der Zerstörung und dann nahezu zwei Jahre lang in Bergen-Belsen. Nach der Befreiung sprach ich mit Hunderten von Überlebenden aus dem Warschauer Ghetto. Wie ich selbst, so erinnerten sich alle, daß die ersten Nachrichten, die Juden würden ausgerottet, das Warschauer Ghetto kurz nach dem Juni 1941 aus den jüdischen Gemeinden der UdSSR und später aus verschiedenen kleineren Städten Polens erreichten. Die besonders schrecklichen Nachrichten über die Liquidierung des Ghettos von Lublin erreichten das Warschauer Ghetto erst vor dem Beginn seiner Zerstörung. Doch nicht eine einzige organisierte jüdische Körperschaft versuchte während dieser Monate, die Warschauer Juden davor zu warnen, daß sie bald an der Reihe wären. Keiner von ihnen rief dazu auf: Rette sich, wer kann! Meiner Ansicht nach beging man damit einen schweren Fehler, ebenso diejenigen, die später den Aufstand im Warschauer Ghetto organisierten. Der Aufstand, der schon kurz nach der Ausrottung eines Großteils der Juden im Warschauer Ghetto begann, kann meiner Ansicht nach ihre Führer nicht von dem Versagen entlasten, die Menschen vor der bevorstehenden Ausrottung zu warnen. Ich erinnere mich, [im Jahre 1979 in hebräisch] S. B. Beit-Zvis Buch "Der Post-Uganda-Zionismus vor Gericht - Eine Fehleranalyse der zionistischen Bewegung während des Holocausts" gelesen zu haben [die englische Version wurde vom Autor 1991 veröffentlicht]. Das Buch bestätigte meinen früheren Verdacht. Wenn ich an die Insurgenten im Warschauer Ghetto denke, sage ich am "Holocaust- und Heldentag" eines jeden Jahres den Vers Jesaja 22, 14: "Was gilts, ob euch diese Missetat soll vergeben werden, bis ihr sterbet?" Obwohl sie Zugang zu viel besseren Informationsquellen als ein durchschnittlicher Jude im Ghetto hatten und sich als Führer und Vertreter der Juden betrachteten, unterließen sie es weitgehend, die Juden vor ihrem bevorstehenden Schicksal zu warnen. Dies war in der Tat eine Missetat. Desgleichen betrachte ich alle organisierten Versuche zur Rettung der osteuropäischen Juden und insbesondere alle bewaffneten Aufstände zur "Rettung der jüdischen Ehre" im besten Falle als nutzlos. Ich stimme mit Beit-Zvis Ansicht vollkommen überein, daß die echten jüdischen Helden, die eine Ehrung von uns jetzt verdienen, die Juden waren, die sich weigerten, "sich organisieren zu lassen", und sich selbst retteten. In seiner brillanten Denkschrift zeigt Beit-Zvi, wie die zionistische Führung jener Zeit zusammen mit dem "Bund" und "Agudat Israel" ihre elementare Pflicht verletzte, die Juden Europas zu informieren. Er zeigt auch, wie in den Jahren 1941/1942 die hebräische Presse Palästinas fortlaufend die Berichte der sowjetischen und polnischen Regierung und später Informationen aus anderen Quellen ignorierte, daß die europäischen Juden ausgerottet würden. Und immer dann, wenn die hebräische Presse in Palästina solche Nachrichten nicht ganz verschweigen konnte, taten sie alles, um sie herunterzuspielen, indem sie gelegentlich sogar offizielle Leugnungen der Nationalsozialisten zitierten. Ich werde nie vergessen, daß die Führung der zionistischen Bewegung sich damals still verhielt und andere zum Schweigen vergatterte. Und solche Holocaust-Historiker, die jetzt die Führung entlasten wollen, handeln noch verwerflicher. Meiner Ansicht nach hatte Beit-Zvi recht, wenn er den Schluß zog, daß die Führung der zionistischen Bewegung kein Interesse an der Rettung der Juden hatte, sofern sie nicht nach Palästina emigrierten. Die Möglichkeit, Juden zu retten, indem man sie in andere Länder ausreisen ließ, war zwar nicht in vollem Umfange gegeben, bestand aber doch. Die zionistische Führung tat alles, um diese Gelegenheit zu vereiteln. Die Vorfälle um das Schiff "Patria", das im Dezember 1940 im Hafen von Haifa mit hunderten illegaler jüdischer Emigranten an Bord ankerte, sind in diesem Zusammenhang äußerst lehrreich. Die Briten waren dabei, die Passagiere der "Patria" auf die Insel Mauritius zu deportieren, wo sie sicherlich nicht in Lebensgefahr gewesen wären. Doch die zionistische Führung legte eine Mine an Bord mit dem Effekt, daß mehr als 200 Juden beim Untergang des Schiffes ertranken. Die zionistische Führung hatte natürlich nicht vor, sie zu töten - sie wollten nur die Abfahrt des Schiffes verhindern. Nichtsdestoweniger war der Befehl, die Bombe zu legen, symptomatisch für eine spontane Gleichgültigkeit gegenüber Menschenleben. Auf alle Fälle ist es ein totalitärer Zug, anzunehmen, daß der Zweck die Mittel heilige, auch wenn ein Menschenleben auf dem Spiel steht. In diesem Sinne war die zionistische Bewegung Totalitarismus par excellence. Darum glaube ich,
daß sowohl Beit-Zvi als auch Grodzinsky sich
Verdienste erworben haben, indem sie die totalitären
Elemente unserer nationalen Geschichte freilegten, in der
der Holocaust noch immer eine zentrale Bedeutung hat. |
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A/ 1- Israel - ein Utopia für Auserwählte?
B/ 6- Vorurteile und Verfälschungen
C/ 12- Orthodoxie und Interpretation
D/ 23- Die Bürde der Geschichte
E/ 33- Gesetze gegen Nichtjuden
F/ 49- Politische Konsequenzen
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