Die zionistische Reaktion Historisch gesehen ist der Zionismus sowohl eine Reaktion auf den Antisemitismus als auch auf die konservative Allianz mit ihm, obgleich die Zionisten wie die anderen europäischen Konservativen sich nicht vollständig klar wurden, mit wem sie sich einließen. Bis zum Aufstieg des modernen Antisemitismus nahmen die europäischen Juden eine äußerst optimistische Haltung ein. Dies zeigte sich nicht nur in der großen Zahl an Juden, die sich, besonders in den westlichen Ländern, in der ersten oder zweiten Generation einfach und offenbar ohne großes Bedauern gegen den klassischen Judaismus entschieden, sondern auch an der Bildung der jüdische Aufklärung (Haskala), einer bedeutenden kulturellen Bewegung, die in Deutschland und Österreich um 1780 entstand, sich nach Osteuropa ausbreitete und sich bis um 1860 als beträchtliche soziale Kraft bemerkbar machte. Ich kann hier nicht die kulturellen Leistungen der Bewegung wie etwa die Wiederbelebung der hebräischen Literatur und die Schaffung einer wunderbaren jiddischen Literatur behandeln. Wichtig bleibt jedoch, daß sich diese Bewegung trotz vieler innerer Differenzen durch zwei Bekenntnisse auszeicheten: Erstens durch den Überzeugung, daß die jüdische Gesellschaft und insbesondere die soziale Rolle der jüdischen Religion in ihrer klassischen Form einer fundamentalen Kritik bedürfe, und zweitens durch die nahezu schon messianische Hoffnung auf den Sieg der "Kräfte des Guten" in den europäischen Gesellschaften. Diese Kräfte waren naturgemäß durch ein einziges Kriterium, die Unterstützung der jüdischen Emanzipation, definiert. Der wachsende Antisemitismus als Volksbewegung und die viele Bündnisse der konservativen Kräfte mit ihr bedeuteten einen schweren Schlag für die jüdische Aufklärung. Dieser Schlag wirkte sich besonders verheerend aus, weil der Antisemitismus gerade in der Zeit zunahm, als sich die Juden in einigen europäischen Ländern emanzipierten, noch bevor sie in anderen Ländern befreit wurden. Die Juden des österreichischen Kaiserreiches erlangten die volle Gleichberechtigung erst im Jahre 1867. In Deutschland emanzipierten einige unabhängige Staaten die Juden schon früher, andere aber nicht. Besonders Preußen sträubte sich in dieser Angelegenheit. Eine vollständige Gleichberechtigung der Juden im ganzen Deutschen Reich gewährte erst Bismarck im Jahre 1871. Im Osmanischen Reich unterlagen die Juden einer offiziellen Diskriminierung bis 1909 und in Rußland (sowie Rumänien) bis 1917. Somit entstand der moderne Antisemitismus innerhalb des Jahrzehnts der jüdischen Emanzipierung in Mitteleuropa und lange vor der Emanzipation der größten jüdischen Gemeinde jener Zeit, nämlich der des zaristischen Reiches. Deshalb fällt es den Zionisten leicht, die Hälfte der relevanten Tatsachen zu ignorieren, zur Rassentrennung des klassischen Judaismus zurückzukehren und zu behaupten, daß wegen des Hasses der Nichtjuden und der Verfolgung aller Juden die einzige Lösung darin bestehe, alle Juden umzusiedeln und sie in Palästina oder Uganda oder sonstwo zu konzentrieren. Einige frühe jüdische Kritiker des Zionismus wiesen schnell darauf hin, wenn man eine dauernde und ahistorische Unverträglichkeit zwischen Juden und Nichtjuden unterstelle (eine Annahme, die sowohl Zionisten und Antisemiten teilen!), dann würde die Konzentration der Juden an einem Ort einfach den Haß der Nichtjuden in diesem Teil der Welt hervorrufen (was tatsächlich auch geschah, wenn auch aus anderen Gründen). Soweit ich weiß, hinterließ dieses logische Argument keinen Eindruck, wie eben sämtliche logischen und auf Tatsachen beruhenden Einwände gegen den Mythos der "jüdischen Rasse" für Antisemiten völlig bedeutungslos sind. In der Tat gab es schon immer enge Beziehungen zwischen Zionisten und Antisemiten. Wie einige der europäischen Konservativen, so dachten auch die Zionisten, sie könnten den "dämonischen" Charakter des Antisemitismus ignorieren und sich der Antisemiten für eigene Zwecke bedienen. Viele Beispiele solcher Allianzen sind gut bekannt. Herzl verbündete sich mit dem berüchtigten Grafen Plewe, dem antisemitischen Minister von Zar Nikolaus II. Jabotinsky schloß einen Pakt mit Petljura, dem reaktionären ukrainischen Führer, dessen Truppen etwa 100 000 Juden in den Jahren 1918 bis 1920 massakrierten. Zu Ben Gurions Verbündeten aus der französischen extremen Rechten während des Algerienkrieges gehörten einige bekannte Antisemiten, die jedoch vorsichtigerweise erklärten, daß sie lediglich etwas gegen die Juden in Frankreich und nicht in Israel hätten. Das vielleicht erschreckendste Beispiel hierfür ist die Freude, mit der einige zionistische Führer Hitlers Machtantritt begrüßten, da sie seinen Glauben an den Primat der "Rasse" und seine Feindschaft gegen die Judenintegration teilten. Sie gratulierten Hitler zu seinem Triumph über den gemeinsamen Feind, nämlich die Kräfte des Liberalismus. Dr. Joachim Prinz, ein zionistischer Rabbiner, der später in die USA emigrierte, wo er Vizepräsident des Jüdischen Weltkongresses und eine führende Kraft in der Zionistischen Weltorganisation (sowie zu einem guten Freund von Golda Meir) wurde, veröffentlichte 1934 ein Buch mit dem Titel Wir Juden, in dem er Hitlers sogenannte Deutsche Revolution und die Niederlage des Liberalismus feiert: Was die deutsche Revolution für die deutsche Nation bedeutet, wird letztlich nur demjenigen offenbar, der sie selbst getragen und gestaltet hat. Was sie für uns bedeutet, muß hier gesagt werden: Die Chance des Liberalismus ist verspielt. Die einzige politische Lebensform, die die Assimilation des Judentums zu fördern gewillt war, ist untergegangen. Nach dem Sieg des Nationalsozialismus waren Assimilierung und Mischehe als Option für die Juden nicht mehr möglich. "Wir sind darüber nicht unglücklich", so Dr. Prinz. In dem Umstand, daß Juden gezwungen waren, sich als Juden zu identifizieren, sieht er "die Erfüllung unserer Wünsche". Und weiter: Wir wünschen an die Stelle der Assimilation das Neue gesetzt: das Bekenntnis zur jüdischen Nation und zur jüdischen Rasse. Ein Staat, der aufgebaut ist auf dem Prinzip der Reinheit von Nation und Rasse, kann nur vor dem Juden Achtung und Respekt haben, der sich zur eigenen Art bekennt. Nirgendwo kann er in diesem Bekenntnis mangelnde Loyalität dem Staate gegenüber erblicken. Er kann keine anderen Juden wollen, als die Juden des klaren Bekenntnisses zum eigenen Volk. Er kann keine liebedienerischen, kriecherischen Juden wollen. Er muß von uns das Bekenntnis zur eigenen Art fordern. Denn nur jemand, der eigene Art und eigenes Blut achtet, wird den Respekt vor dem nationalen Wollen anderer Nationen haben können. Das ganze Buch wimmelt von ähnlich groben Anbiederungen an die Ideologie des Nationalsozialismus, von Schadenfreude über die Niederlage des Liberalismus und insbesondere die Ideen der französischen Revolution und der großen Hoffnung, daß in der kongenialen Atmosphäre des Mythos der arischen Rasse ebenso der Zionismus und der Mythos der jüdischen Rasse gedeihen werden. Wie viele andere frühe Sympathisanten und Verbündeten des Nationalsozialismus ahnte Dr. Prinz nicht, wohin die Bewegung (und der moderne Antisemitismus im allgemeinen) führte. Desgleichen machen sich heute viele Menschen nicht klar, welchen Weg der Zionismus - die Bewegung, in der Dr. Prinz ein angesehenes Mitglied war - geht: Man kehrt zum alten Haß des klassischen Judentums gegenüber den Nichtjuden und zu ihrer Diskriminierung zurück und mißbraucht geschichtsklitternd die historischen Judenverfolgungen zur Rechtfertigung der zionistischen Verfolgung der Palästinenser. So unsinnig es auch
klingen mag, bei näherer Untersuchung der wahren Motive
der Zionisten zeigt sich klar eine der tiefsten
ideologischen Quellen für die dauernde Feindschaft des
zionistischen Establishments gegenüber den
Palästinensern. Viele osteuropäische Juden setzen
sie nämlich mit den aufständischen
osteuropäischen Bauern gleich, die am
Chmjelnizki-Aufstand und an ähnlichem Aufbegehren
teilnahmen, wobei wiederum letztere in eine ahistorische
Verbindung mit modernem Antisemitismus und
Nationalsozialismus gebracht werden. |
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A/ 1- Israel - ein Utopia für Auserwählte?
B/ 6- Vorurteile und Verfälschungen
C/ 12- Orthodoxie und Interpretation
D/ 23- Die Bürde der Geschichte
E/ 33- Gesetze gegen Nichtjuden
F/ 49- Politische Konsequenzen
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