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Gottes
auserwähltes Volk
Den Palästinensern wurde ihr Land von
den Juden gestohlen, weil diese behaupteten,
Gottes auserwähltes Volk zu sein, dem
Palästina vom Allmächtigen versprochen
wurde. Wie verhält es sich nun damit?
Laut dem Alten Testament, der heiligen
Schrift des Judentums, sind die Juden Gottes
auserkorenes Volk, das "Volk des Herrn". Im 19.
Kapitel des 2. Buchs Mose (Verse 3-6) heisst es:
Und Mose stieg hinauf zu Gott. Und der Herr rief
ihm vom Berge zu und sprach: So sollst du nun
sagen zu dem Hause Jakob und den Israeliten
verkündigen: Ihr habt gesehen, was ich mit
dem Ägyptern getan habe und wie ich euch
getragen habe auf Adlerflügeln und zu mir
gebracht. Werdet ihr nun meiner Stimme gehorchen
und meinen Bund halten, so sollt ihr mein
Eigentum sein vor allen Völkern: denn die
ganze Erde ist mein. Und ihr sollt mir ein
Köngreich von Priestern und ein heiliges
Volk sein. Das sind die Worte, die du den
Israeliten sagen sollst.
Gott hat also einen Bund mit den Kindern
Israels geschlossen und dieses Volk vor allen
anderen Völkern auserwählt. Dies wird
auch im 5. Kapitel des 5. Buch Mose (Verse l-3)
unterstrichen: Und Mose rief ganz Israel
zusammen und sprach zu ihnen: Höre, Israel,
die Gebote und Rechte, die ich heute vor euren
Ohren rede, und lernet sie und bewahrt sie, dass
ihr danach tut. Der Herr, unser Gott, hat einen
Bund mit uns geschlossen am Horeb und hat nicht
mit unseren Vätern diesen Bund geschlossen,
sondern mit uns, die wir heute hier sind und
alle leben.
Dass diese Auserwähltheit, diese
Überzeugung, Gottes eigenes Volk zu sein,
eine herrschende Stellung gegenüber anderen
Völkern nach sich zieht, geht u.a. aus dem
26. Kapitel des 5. Buch Mose (Verse 18-19)
hervor: Und der Herr hat dich heute sagen
lassen, dass du sein eigenes Volk sein wollest,
wie er dir zugesagt hat, und alle seine Gebote
halten wollest, und dass er dich zum
höchsten über alle Völker machen
werde, die er geschaffen hat, und du
gerühmt, gepriesen und geehrt werdest,
damit du dem Herrn, deinem Gott, ein heiliges
Volk seist, wie er zugesagt hat.
Diese Vorherrschaft des auserkorenen Volkes
über andere Völker wird im 5. Buch
Mose ausdrücklich hervorgehoben. Vers 13
des 28. Kapitels lautet nämlich: Und der
Herr wird dich zum Kopf machen und nicht zum
Schwanz, und du wirst immer aufwärts
steigen und nicht heruntersinken, weil du
gehorsam bist den Geboten des Herrn, deines
Gottes, die ich dir heute gebiete zu halten und
zu tun...
Für jeden Gottesgläubigen, der alle
Menschen für Gottesgeschöpfe
hält, ist es unerhört anstössig,
dass Gott einem bestimmten Volk den Vorzug vor
allen anderen Völkern gegeben haben und mit
diesem einen besonderen Bund geschlossen haben
soll. Doch so steht es gänzlich
unmissverständlich und unzweideutig in der
Judenbibel, und dazu noch im jüdischen
Gesetz, den Büchern Mose. Dort steht auch
geschrieben, dass Gott seinem auserwählten
Volke gestattet, das Land anderer Völker zu
rauben, und nicht genug damit: er erteilt ihm
sogar die Erlaubnis, andere Völker mit
Stumpf und Stiel auszurotten und so einen
Holocaust im wahrsten Sinne des Wortes zu
begehen!
Im 5. Buch Mose, 6. Kapitel, Verse 10, 12 und
13, heisst es: Wenn dich nun der Herr, dein
Gott, in das Land bringen wird, von dem er
deinen Vätern Abraham, Isaak und Jakob
geschworen hat, es dir zu geben - grosse und
schöne Städte, die du nicht gebaut
hast, und Häuser voller Güter, die du
nicht gefüllt hast, und ausgehauene
Brunnen, die du nicht ausgehauen hast, und
Weinberge und Ölbäume, die du nicht
gepflanzt hast - und wenn du nun isst und satt
wirst, so hüte dich, dass du nicht den
Herrn vergisst, der dich aus Ägypterland,
aus der Knechtschaft, geführt hat, sondern
du sollst den Herrn, deinen Gott, fürchten
und ihm dienen und bei seinem Namen
schwören.
An anderer Stelle (5. Buch Mose, 7. Kapitel,
Verse 16-24) spricht Jahve eine noch deutlichere
Sprache:
Du wirst alle Völker vertilgen, die der
Herr, dein Gott, dir geben wird. Du sollst sie
nicht schonen und ihren Göttern nicht
dienen; denn das würde dir zum Fallstrick
werden. Wirst du aber in deinem Herzen sagen:
Diese Völker sind grösser als ich. Wie
kann ich sie vertreiben? so fürchte dich
nicht vor ihnen.
Denke daran, was der Herr, dein Gott, dem
Pharao und allen Ägyptern getan hat durch
grosse Machtproben, die du mit eigenen Augen
gesehen hast, und durch Zeichen und Wunder,
durch mächtige Hand und ausgereckten Arm,
womit dich der Herr, dein Gott,
herausführte. So wird der Herr, dein Gott,
allen Völkern tun, vor denen du dich
fürchtest.
Dazu wird der Herr, dein Gott, Wespen unter
sie senden, bis umgebracht sein wird, was
übrig ist und sich verbirgt vor dir. Lass
dir nicht grauen vor ihnen, denn der Herr, dein
Gott, ist in deiner Mitte, der grosse und
schreckliche Gott. Er, der Herr, dein Gott, wird
diese Leute ausrotten vor dir, einzeln
nacheinander. Du kannst sie nicht auf einmal
vertilgen, damit sich nicht die wilden Tiere
wider dich vermehren. Der Herr, dein Gott, wird
sie vor dir dahingeben und wird eine grosse
Verwirrung über sie bringen, bis er sie
vertilgt hat. Und er wird ihre Könige in
deine Hände geben, und du sollst ihren
Namen auslöschen unter dem Himmel. Es wird
dir niemand widerstehen, bis du sie vertilgt
hast.
Dass Gott verspricht, alle Völker zu
vernichten, die seinem auserkorenen Volke im
Wege stehen, ist ein Leitmotiv der Torah. Im
5.
Buch Mose, 11. Kapitel, Verse 22 - 25, heisst
es:
Denn wenn ihr diese Gebote alle halten
werdet, die ich euch gebiete, und danach tut,
dass ihr den Herr, euren Gott, liebet und
wandelt in allen seinen Wegen und ihm anhanget,
so wird der Herr alle diese Völker vor euch
her vertreiben, dass ihr grössere und
stärkere Völker beerbt, als ihr es
seid. Alles Land, darauf eure Fusssohle tritt,
soll euer sein; von der Wüste bis an den
Berg Libanon und von dem Strom Euphrat bis ans
Meer im Westen soll euer Gebiet sein. Niemand
wird euch widerstehen könen, Furcht und
Schrecken vor euch wird der Herr über alles
Land kommen lassen, das ihr betretet, wie er
euch zugesagt hat.
Immer noch im 5. Buch Mose (Kapitel 20, Verse
10-17) ermahnt Gott sein auserwähltes Volk,
jene Völkerschaften zu versklaven, die um
Frieden ersuchen, und all jene zu töten,
die Widerstand leisten:
Wenn du vor eine Stadt ziehst, um gegen sie
zu kämpfen, so sollst du ihr zuerst den
Frieden anbieten. Antwortet sie friedlich und
tut dir ihre Tore auf, so soll das ganze Volk,
das darin gefunden wird, dir fronpflichtig sein
und dir dienen. Will sie aber nicht Frieden
machen mit dir, sondern mit dir Krieg
führen, so belagere sie. Und wenn sie der
Herr, dein Gott, dir in die Hand gibt, so sollst
du alles, was männlich darin ist, mit der
Schärfe des Schwerts erschlagen. Nur die
Frauen, die Kinder und das Vieh und alles, was
in der Stadt ist, und alle Beute sollst du unter
dir austeilen und sollst essen von der Beute
deiner Feinde, die dir der Herr, dein Gott,
gegeben hat!
So sollst du mit allen Städten tun, die
sehr fern von dir liegen und nicht zu den
Städten dieser Völker hier
gehören. Aber in den Städten dieser
Völker hier, die dir der Herr, dein Gott,
zum Erbe geben wird, sollst du nichts leben
lassen, was Odem hat, sondern sollst an ihnen
den Bann vollstrecken, nämlich an den
Hetitern, Amoritern, Kanaanitern, Perisitern,
Hiwitern und Jebusitern, wie dier der Herr, dein
Gott, geboten hat!
Wenn sich der heutige Staat Israel als
"Judenstaat" bezeichnet, sich in seinen
religiösen Grundsätzen an den Gott der
Torah hält und sich selbst als auserkorenes
Volk mit göttlich sanktioniertem Recht auf
das Land der Palästinenser auffasst, das
"gelobte Land", dann nehmen die Israelis und die
Zionisten eine äusserst grosse
Verantwortung auf sich. Denn dieser
alttestamentarische Glaube ist mir dem
Gottesglauben höherstehender Religionen wie
des Christentums und des Islam unvereinbar, und
ebensowenig mit Demokratie und Respekt vor
Menschenrechten.
Die im Westen hochverehrte Golda Meir,
israelische Premierministerin der siebziger
Jahre, David Ben-Gurion und Menachem Begin haben
öffentlich erklärt, der Zionismus und
die Entstehung des Staates Israel gingen auf das
Versprechen zurück, das Gott in biblischen
Zeiten seinem auserwählten Volke gemacht
hat!
Unter diesen Umständen ist zu
begrüssen, dass sich in Israel besonnene
und kritische Stimmen zu Worte melden. Meron
Benbenisti, ehemaliger Bürgermeister
Jerusalem, meinte: "Entweder bleiben wir ein
jüdischer Staat und werden immer
undemokratischer, oder aber wir bleiben ein
demokratischer Staat und kein jüdischer
mehr... Die Demokratie kann nur aufrecht
erhalten werden, wenn wir den israelischen
Arabern volle bürgerliche Rechte
gewähren." (Zitiert nach Newsweek vom 20.
April 1970.)
Seitdem ist Israel immer "jüdischer" und
damit immer undemo-kratischer den
Palästinensern gegenüber geworden,
ganz besonders auf der okkupierten
Westjordanbank und im Gazastreifen, wo auf
Kosten der palästinensischen
Bevölkerung immer mehr jüdische
Siedlungen errichtet werden.
Israel Shahak, Begründer und Mitglied
der israelischen Bürgerrechts-bewegung, hat
Israel wiederholte Male als "rassistischen
Staat" ge-geisselt, wo man "auf überholte
religiöse Grundsätze zurückgreift
wie die Vorstellung, die Juden stellten eine
Elite der Menschheit dar, die das Recht besitze,
andere Völker wie Sklaven zu behandeln"
(zitiert nach der israelischen Zeitung Haaretz
vom 27. November 1971).
Im Grunde genommen ist die Vorstellung,
Gottes eigenes Volk zu sein, eine
ungöttliche Verherrlichung des eigenen
Volkes auf Kosten anderer Völker. Ganz
ähnliche Vorstellungen kennzeichneten ja
die Denkweise der "deutschen Christen"
während des Dritten Reiches, über die
der schwedische Bischof und bekannte
Religionshistoriker Anders Nygren meinte: "Man
schafft sich einen Gott nach eigenem Bilde, nach
dem Bilde des deutschen Menschen... Der Gott,
der in Wirklichkeit ange-betet wird, ist ein
Abbild des eigenen Volkes." Genau so
verhält es sich auch mit dem biblischen
Judentum.
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