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Vorwort
des Verfassers
Zu jener Zeit, wo ich als Offizier der
Königlichen Streitkräfte regel-
mässig hinter die Kulissen der
marokkanischen Macht blicken konnte, habe ich
die Probleme meines Landes Tag für Tag
miterlebt. Und ich war nicht der einzige Zeuge.
Von den einfachen Soldaten bis zu den
höheren Offizieren waren all jene, die sich
noch eine gewisse moral- ische Integrität
bewahrt hatten, in Opposition gegen die
persönliche Macht Hassans II geraten,
nachdem sie die Korruption und Fäulnis
seines Regimes selbst entdeckt hatten. Die
Militärrevolten, an denen ich mich
beteiligte, waren der Ausdruck unserer
Empörung in Anbe-tracht der Plünderung
der nationalen Reichtümer durch den
König und die Parasitenclique, mit der er
sich umgab.
Im Gegensatz zu den westlichen Staaten gibt
es in Marokko nur wenige
Banküberfälle. Ganoven, die etwas auf
sich halten, wissen heute, dass der sicherste,
schnellste und im Grunde genommen einzige Weg
zum Reichtum darin liegt, an der Macht
teilzuhaben. Das Feudalsystem, das Hassan II im
20. Jahrhundert weiterführt, hat die
allgemeine Korruption zum Regierungssystem
erhoben. Er fesselt die herrschenden Eliten an
sich, indem er ihnen droht, sie beim geringsten
Widerstreben blosszustellen. Durch tausenderlei
Verführungen bemüht er sich, wertvolle
Persönlichkeiten, welche an sich zur
Opposition neigen müssten, zu
neutralisieren und sich untertan zu machen.
Das Tyrannenregiment Hassans II beruht auf
keinerlei Legitimität. Es kann sich weder
auf den Islam berufen (er verbietet die erbliche
Monarchie) noch auf die Grundsätze der
westlichen Demokratie. "Der König ist der
Privilegierteste aller Privilegierten", schrieb
der grosse Historiker Taine im letzten
Jahrhundert. Diese Formulierung liesse sich
heute auf Hassan II anwenden, dessen Regime nur
noch den Interessen des Neokolonialismus sowie
einer Minderheit von privilegierten Marokkanern
dient. Letzere schwelgen in unerhörtem
Reichtum, den sie noch nicht einmal durch
wirklich produktive Tätigkeit erworben
haben. Das Volk nennt sie schlicht und einfach
"die Diebeö!
Ahmed Rami
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